Freitag, 21. Mai 2010

Warum ich mit Nein zum Euro-Stabilisierungsgesetz gestimmt habe

Erklärung gemäß § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zum Entwurf eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus

Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

bevor wir heute über einen Gesetzesentwurf mit so weitreichenden Folgen entscheiden, mache ich von meinem Recht Gebrauch, mein Abstimmungsverhalten zu begründen.

Ungleiche wirtschaftliche Entwicklungen in unterschiedlichen Staaten erfordern eine Anpassung des realen Wechselkurses. In einem gemeinsamen Währungsraum sind die Handlungsspielräume einzelner Staaten, kurzfristig auf länderspezifische Entwicklungen zu reagieren, jedoch beschränkt, da der nominale Wechselkurs als Anpassungsinstrument nicht mehr zur Verfügung steht.

Verschiedene Sprachen und kulturelle Unterschiede schränken die Faktormobilität ein, so dass ein Ausgleich über eine Zu- oder Abwanderung von Kapital und Arbeitskräften nur eingeschränkt in Frage kommt.

Die anhaltenden Proteste in Griechenland zeigen, dass die Faktorpreisflexibilität ebenfalls erheblich eingeschränkt ist. Keine demokratisch gewählte Regierung wird in kurzer Zeit die zur Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit erforderlichen drastischen Lohnsenkungen durchsetzen können.

Als letztes Mittel – wird der Weg in die geordnete Insolvenz ausgeschlossen – verbleibt daher nur noch die Möglichkeit, eine reale Ungleichgewichtssituation im Rahmen umfassender interstaatlicher Transfers abzubauen. Ein solches Finanzausgleichssystem in einer Währungsunion politisch selbständiger Staaten gefährdet aufgrund fehlender Anreize zur finanziellen Solidität nicht nur die Anpassungsfunktion über die Märkte, es macht auch eine glaubhafte Gelddisziplin schwierig.

Bereits 1990 hat die Europäische Kommission in ihrem vorbereitenden Bericht zur europäischen Währungsunion mit dem Titel „One Market, One Money“ dazu folgendes festgestellt: „Die Schaffung der Währungsunion setzt die langfristige Vereinbarkeit zwischen der gemeinsamen Geldpolitik und der Haushaltspolitik in den einzelnen Mitgliedsstaaten voraus. Untragbare Haushaltssituationen in einem Mitgliedsstaat würden die monetäre Stabilität in der Gemeinschaft insgesamt ernsthaft bedrohen.  Durch hohe und wachsende Schuldenquoten würde Druck auf die Gemeinschaft ausgeübt, finanzielle Hilfestellung zu leisten. Da Geld- und Haushaltspolitik langfristig interdependent sind, führt dies letztlich zu einer Inflationsfinanzierung der Staatsschuld.“

Mit der heutigen Entscheidung tritt Deutschland daher den unweigerlichen Weg in eine europäische Transferunion an. Damit übernimmt Deutschland de facto die Gewährleistung der Schulden derjenigen europäischen Staaten, die über einen langen Zeitraum unsolide gewirtschaftet haben. Verantwortungslosigkeit wird somit belohnt.

Die Entscheidung der europäischen Zentralbank, erstmals Staatsanleihen aufzukaufen – wenn auch zunächst einmal geldmengenneutral – lässt an der Unabhängigkeit der EZB erhebliche Zweifel aufkommen. Langfristig wird mit der heutigen Entscheidung die Geldwertstabilität des Euros wesentlich gefährdet.

Diese Entscheidung kann ich daher nicht mittragen. Ich stimme gegen diesen Gesetzesentwurf.

Vielen Dank.

13 Kommentare zu “Warum ich mit Nein zum Euro-Stabilisierungsgesetz gestimmt habe”

  1. R.A. sagt:

    Lieber Parteifreund Knopek,

    vielen Dank für dieses mutige Abstimmungsverhalten.

  2. Reinhard sagt:

    Gratulation zum NEIN, das diesmal ein JA für die Demokratie ist !
    Von Leuten mit Mut gegen den Strom zu schwimmen, insbesondere wenn der gegen jede Vernunft gerichtet ist, lebt eine Demokratie !
    Inhaltlich möchte ich noch ergänzen, dass die “Hilfe” nicht DEN Griechen zugute kommt, sondern primär die Investitionen der Banken in Griechenland absichert.
    Eine kleine griechische Gruppe von Vermögenden dürfte sich ebenfalls über den Beschluss des Bundestages in der Sache freuen.
    Defakto haben wir es mit einer weiteren Bankenhilfe zu tun, zu Lasten der Steurzahler in der EU und zu Lasten der Bevölkerungsmehrheit in Griechenland, die jetzt noch mehr öffentliche Schulden zu tragen hat.
    Die Probleme wurden durch die politischen Entscheidungsträger nicht gelöst sondern lediglich aufgeschoben.
    Fazit deshalb:
    Es sieht eher so aus, dass der Beschluss des Bundestages zum Wohle der Banken und zum Schaden des Volkes in Deutschland und Griechenland erfolgte !

  3. J.A. sagt:

    Sehr geehrter Herr Dr. Knopek,

    in den Regierungsfraktionen gab es offenbar nur 6 Mandatsträger, die den Mut hatten, die richtige Entscheidung zu treffen und mit NEIN zu stimmen. Als langjähriges FDP-Mitglied kann ich über die Bereitschaft der übrigen Mitglieder Ihrer Fraktion (mit Ausnahme des Herrn Schäffler, der ebenso stimmte wie Sie), die Staatsverschuldung ohne wirkliche Notwendigkeit auszuweiten und die EU in eine Transferunion zu wandeln, nur ungläubig den Kopf schütteln.
    Herzlichen Dank für Ihr Abstimmungsverhalten.

  4. Jörg Behlen sagt:

    14 Milliarden € sollen zwischen dem 1.1.2010 und 5.5.2010 von vermögenden Griechen in SF gewechselt worden sein. 90 Abgeordnete der FDP haben sich heute selbst abgewählt. Drei dürfen bleiben.

    Danke Herr Dr. Knopek!

  5. B.G. sagt:

    Vielen Dank für das aufrechte Abstimmungsverhalten und die aufrichtigen Worte. Wir hätten hier in NRW nicht über 40% Nichtwähler, gäbe es mehr Politiker mit vergleichbarem Verantwortungsbewußtsein.

    Ihre Opposition gegen Rechtsbruch und Schadensmehrung für die eigene Bevölkerung hat meinen vollen Respekt.

    Leider nützt es nichts. Warum verrät die Mehrheit der FDP-Politiker ihre eigenen Prinzipien? Das wird den Anteil der Nichtwähler weiter steigern.

  6. Peter Menzel sagt:

    Sehr geehrter Herr Knopek,

    herzlichen Dank für Ihr vollkommen korrektes Verhalten.

  7. Danke!

    Sie haben die marktwirtschaftliche Vernunft vor den Fraktionszwang, und Kanzlertreue gestellt! Dafür möchte ich ihnen Danken…

    Weiterhin habe sie bewiesen, dass man nicht B sagen muss wenn man A gesagt hat! Danke auch dafür!

    mit liberalen Grüßen

    Kolia N. Ohmann

  8. marc sagt:

    Vielen Dank, dass Sie bei der Abstimmung Ihrem Gewissen gefolgt sind!

  9. H.M. sagt:

    Danke für ihr Abstimmungsverhalten.

  10. Christian Mandery sagt:

    Sehr geehrter Herr Knopek,

    vielen Dank für Ihr konsequentes Eintreten für die ordnungspolitische Vernunft!

    Es ist schön zu sehen, dass es in der FDP-Fraktion noch echte Liberale gibt, die nicht jeden Unsinn mittragen.

    Liberale Grüße aus Karlsruhe,
    Christian Mandery

  11. F. Schmidt sagt:

    Vielen Dank,
    endlich ein Abgeordneter der seinen Kopf benutzt und nicht nur nachplappert was andere sagen. Deutschland braucht mehr Parlamentarier wie sie.

  12. Mario sagt:

    Auch von hier, Danke!
    Es ist traurig, dass unter den Regierungen der vergangenen Jahre, inklusive Rot-Grün, ausgerechnet die FDP den größten Schritt in Richtung Planwirtschaft unternimmt.

  13. [...] von ihm abgelehnte Gesetz. In einer persönlichen Erklärung zu seinem Abstimmungsverhalten erklärt er nämlich: Mit der heutigen Entscheidung tritt Deutschland daher den unweigerlichen Weg in eine [...]

  14. [...] Die Erklärung von Dr. Knopek ist ebenfalls intelligent und ehrenhaft. (Website Dr. Knopek) [...]

  15. Stefan Kassel sagt:

    Danke, dass Sie den Mitgliederentscheid mit initiiert haben.

    Der ESM wird eine Behörde, die ohne Demokratische Kontrolle die Mitgliedsstaaten zwingen kann, binnen 7 Tagen Millarden-Beträge für nicht spezifizierte Rettungsaktionen bereit zu stellen.

    Wer kann dieen Weg wollen? Es ist eine Bankrotterklärung der ESM-Befürworter diesen Weg als ‘alternativlos’ für Europa darzustellen.

    Vielen Dank für Ihren Mut.

    P.S: ‘alternativlos’ bedeutet in diesem Zusammenhang auch, dass natürlich nachgeschossen werden muss, wenn der jetzt beschlossene Haftungsrahmen aufgezehrt ist…

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