Donnerstag, 4. Juli 2013

Fanprojekte und Selbstregulierung stärken: Lebhafte Diskussion über Gewalt im Fußball

Unter dem Titel  „Gewalt im Fußball – Was können wir dagegen tun?“ hatte der FDP-Stadtverband Hannover am Montag in die HDI-Arena geladen. Die Stadtverbandsvorsitzende Claudia Winterstein, MdB leitete vor weit über 100 Besuchern in das Thema ein.

Auf dem Podium diskutierten 96-Präsident Martin Kind, Fanforscher Jonas Gabler, Rechtsanwalt und Oberbürgermeisterkandidat Matthias Waldraff, Jörg Mildahn von der Gewerkschaft der Polizei, Christian Bieberstein vom Supporters Club des HSV und Dr. Lutz Knopek aus dem Sportausschuss des Deutschen Bundestages unter der Moderation von FDP-Generalsekretär Patrick Döring über die positiven und negativen Facetten von Fanszene und Fankultur.

Martin Kind machte deutlich, dass ein Stadionbesuch in der Bundesliga sicher sei.  Er unterstrich, dass er in der Vergangenheit den regelmäßigen Dialog mit Fanvertretern gesucht und sich auch regelmäßig mit den Ultras getroffen und ausgetauscht habe. Auch vor dem Pokalspiel gegen Dynamo Dresden im Oktober 2012 habe es ein Treffen gegeben, dennoch sei es vor, während und nach der Partie zum Abbrennen von Pyrotechnik gekommen, die den Verein 70.000 Euro gekostet hätten. Zur neuen Spielzeit habe Hannover 96 die Videotechnik in der HDI-Arena für 300.000 Euro modernisiert, um die Täterermittlung bei Vorfällen zu vereinfachen und Strafen verursachergerecht weiterzugeben. Dieses Geld fehle in anderen Bereichen, bedauerte der 96-Präsident.

Gewalt im Fußball Hannover Juli 2013Jörg Mildahn von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) stellte klar, dass die GdP gegen die Beteiligung der Vereine an den Kosten von Polizeieinsätzen sei. Diese Forderung hatte in den vergangenen Jahren wiederholt die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) erhoben. Die Zahl von 1.5000 Beamten, die rein rechnerisch nur zur Bewachung von Fußballspielen beschäftigt sind, sei jedoch besorgniserregend hoch. Mildahn forderte ein strenges Vorgehen gegen Randalierer und Gewalttäter, wobei er eine pauschale Verurteilung der Ultras ablehne. Der Gewerkschaft der Polizei sei mehr Kommunikation lieber als eine Aufrüstung der Einsatzkräfte. Der stellvertretende GdP-Landesvorsitzende präferiert individuelle Bestrafungen bei Fehlverhalten einzelner Störer.

An der Universität befasst sich am Lehrstuhl von Professor Dr. Gunter A. Pilz eine „Kompetenzgruppe Fankultur und Sport bezogene Soziale Arbeit“ (KoFaS) mit den Entwicklungen in der Fanszene. Projektmitarbeiter Jonas Gabler beschrieb, dass der Stadionbesuch für viele Zuschauer das Ausleben positiver wie negativer Emotionen ermögliche. Die überwiegend positiven Emotionen belebten die Stimmung in den Stadien. Den negativen Emotionen müsse mit gezielten Maßnahmen begegnet werden. Ganz unterbinden, dabei war sich Gabler mit Kind einig, könne man Gewalt im Fußball wie in der Gesellschaft sicherlich nicht.

Der Obmann der FDP-Fraktion im Sportausschuss des Deutschen Bundestages, Dr. Lutz Knopek, stelle die Subkultur der Ultras vor und würdigte deren Engagement bei der Erstellung von Choreographien oder der Organisation von Auswärtsfahrten. Problemen in der Ultrabewegung könne am besten durch in der Szene akzeptierte Fanprojekte und die Arbeit der Fanbeauftragten der Vereine begegnet werden. Knopek begrüßte in diesem Zusammenhang die Verdreifachung der Mittel für die Fanprojekte von Deutschem Fußballbund (DFB) und Deutscher Fußballiga (DFL) auf 10,8 Millionen Euro. Der Sportpolitiker zollte den Polizisten Lob, die jedes Wochenende zu einem ganz überwiegend reibungslosen Ablauf der Spieltage beitragen würden. Insbesondere aufgrund der hohen zeitlichen und psychischen Belastungen verdiene die Arbeit der Polizei eine höhere Wertschätzung. Bei 18,7 Millionen Besuchern der Spiele der 1. und 2. Fußballbundesliga sei er überrascht, wie wenig Probleme doch prozentual gesehen, passierten.

Bei vielen Veranstaltungen wird über die Fans, aber wenig mit Ihnen gesprochen. Bei der Veranstaltung der FDP Hannover war das anders: Als Vertreter der organisierten Fußballfans war Christian Bieberstein vom Supporters Club des HSV auf dem Podium vertreten. Er brach eine Lanze für die Fankultur, die gerade durch die mediale Berichterstattung häufig pauschal kriminalisiert werde. Insbesondere würden aus Fansicht überhartes Vorgehen der Polizei und übertriebene Forderungen aus den Reihen der Innenminister der Länder die Dialogbereitschaft gerade junger Fans stören. Beim Thema Stadionverbote berichtete Bieberstein, der auch Sprecher der Fanvereinigung „Unsere Kurve“ ist, von der bewährten Praxis beim Hamburger Sportverein, der Stadionverbote von einer Kommission bewerten und festlegen lasse. Generell werde das Mittel der Stadionverbote auch bei den Fans nicht abgelehnt. Bieberstein betonte, wie wichtig es sei, die dialogbereiten Fans ernst zu nehmen und diese einzubinden. Diese Wertschätzung unterstütze bei Problemen auch die Selbstreinigungskräfte in den Kurven.

CDU-Oberbürgermeisterkandidat Matthias Waldraff berichtete von seinen Erfahrungen als langjähriger 96-Fan und Mitbegründer eines Fanclubs der „Roten“. Trotz aller positiven Worte für die Fanszene befürchtete Waldraff, dass die Vereine durch Stimmungsboykotte der Ultras, wie bei den Protesten gegen das DFL-Positionspapier „Sicheres Stadionerlebnis“, erpressbar würden. Er plädierte daher für neue Wege zum Erhalt der Stimmung in den Stadien. Als Beispiel nannte er die Einbindung von Musikkapellen.

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