Donnerstag, 6. Mai 2010

Knopek zu Staatshilfen für Griechenland

Sehr geehrte Damen und Herren,
lieber Bürgerinnen und Bürger,

das Prinzip der Haftung ist eines der konstitutiven Elemente der sozialen Marktwirtschaft. Dahinter steht die ethische Maxime, dass jeder für seine Entscheidungen verantwortlich ist. In einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung, so der große ordoliberale Ökonom Walter Eucken, bewirkt die Haftung, „dass die Disposition des Kapitals vorsichtig erfolgt. Investitionen werden um so sorgfältiger gemacht, je mehr der Verantwortliche für diese Investitionen haftet. Die Haftung wirkt insofern prophylaktisch gegen eine Verschleuderung von Kapital.“

Diesem Gedanken trägt Artikel 125 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union Rechnung, wo es heißt: „Die Union haftet nicht für Verbindlichkeiten […] eines anderen Mitgliedsstaats und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein.“ Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass kein Mitgliedsstaat innerhalb der Währungsunion einen Anreiz hat, sorglos mit seinen Finanzen umzugehen und dabei gleichzeitig von der fiskalischen Solidität der anderen Staaten durch eine stabile Währung zu profitieren (moral hazard). Operativ ist dieses Prinzip zudem in den Konvergenzkriterien des Maastrichter Vertrags und im Stabilitäts- und Wachstumspakt verankert: Nur wer die gesetzten Bedingungen erfüllt, darf dem Euro beitreten. Und wer dem gemeinsamen Währungsraum angehört, muss seine Staatsfinanzen im Griff behalten.

Griechenland hat beide Vereinbarungen vorsätzlich gebrochen. Vor ihrer Aufnahme in die Eurozone haben die Griechen ihre Haushaltszahlen kräftig geschönt und sich so den Eintritt in die Währungsunion erschlichen. Danach wurde das Ausmaß der öffentlichen Finanzmisere jahrelang verschleiert. Selbst als bereits klar war, dass Griechenland andere Länder um Hilfe bitten würde, hat man nur schrittweise den wahren Finanzbedarf offengelegt.

Wird Griechenland jetzt mit Finanzhilfen anderer EU-Staaten geholfen, so reißt man damit einen wichtigen Pfeiler der europäischen Wirtschaftsordnung ein. Die europäischen Staaten senden damit unmissverständlich das Zeichen aus, dass die Misswirtschaft einzelner Staaten ultima ratio von den anderen Mitgliedern der Währungsunion aufgefangen wird. Die Europäische Union wird damit schleichend zur Transferunion. Zudem werden die Financiers risikobehafteter Wertpapiere, allen voran die deutschen Landesbanken, erneut aus ihrer unternehmerischen Verantwortung entlassen. Ihnen wird signalisiert, dass risikoreiche Profite privatisiert und (drohende) Verluste sozialisiert werden. Die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft werden somit pervertiert.

Ein wichtiges Argument, das dennoch für Staatshilfen für Griechenland sprechen könnte, ist die potentielle Gefahr einer Ausweitung und Ausbreitung der Finanzierungskrise auf andere Staaten. Zumindest grundsätzlich besteht das Risiko eines Ansteckungseffektes, der in Kaskaden die Volkswirtschaften Europas in finanzielle Schieflagen bringt.

Zwei Transmissionsmechanismen sind dabei denkbar: Zum einen müssten bei einer Umschuldung Griechenlands Banken und Versicherungen Abschreibungen auf Wertpapiere vornehmen. Das schmälert das Eigenkapital und könnte möglicherweise zum Kollabieren einzelner Finanzinstitutionen führen. Deren Zusammenbruch würde dann wiederum weitere Institutionen in Schieflage bringen. Ein Dominoeffekt nähme seinen Lauf. Falls dieses Argument zutrifft, folgt daraus aber nicht zwingend die Verpflichtung zu Finanzhilfen für Griechenland. Viel treffsicherer wäre eine Fokussierung deutscher Hilfsmaßnahmen auf die Stützung heimischer Finanzinstitutionen. Bestünde die Gefahr eines Zusammenbruchs einer „systemrelevanten“ Institution, könnte die Regierung dieser finanziell unter die Arme greifen und eine „Ansteckung“ weiterer Einrichtungen verhindern.

Ob es aber überhaupt zu einem solchen Szenario kommen würde, bleibt strittig. Der renommierte Ökonom Stefan Homburg spricht mittlerweile von einer Strategie des „Verleihen und Verängstigen“ durch große Kreditinstitutionen. Bei der Kreditvergabe werden bewusst hohe Risiken eingegangen und anschließend die Öffentlichkeit durch das Beschwören von „systemischen Risiken“ verunsichert und zur Absicherung der Risiken durch Steuergelder getrieben. Im Ergebnis realisieren die Banken anstrengungslose Traumrenditen zu Lasten der Allgemeinheit. Unabhängig davon, ob Homburgs These zutreffend ist, steht fest, dass Finanzhilfen für Griechenland sich mit dem gerade skizzierten Argumentationsmuster nicht rechtfertigen lassen.

Eine zweite Möglichkeit der Ausweitung der griechischen Finanzierungskrise besteht durch die Auswirkungen eines (partiellen) Staatsbankrotts Griechenlands. Eine Umschuldung der Hellenen, so das Argument, würde das Vertrauen in die Kreditwürdigkeit anderer Staaten erschüttern und dort zu Risikoaufschlägen führen, die wiederum die Finanzierung der bestehenden Staatsdefizite erschweren oder gar unmöglich machen würde. Ein Staat nach dem anderen fiele dann „den Märkten zum Opfer.“  Nur wenn klar ist, dass die europäische Staatengemeinschaft im Notfall finanziell angeschlagenen Ländern zur Seite steht, so die Befürworter von Finanzhilfen, könnten entsprechende Risikoaufschläge abgewendet werden.

Die implizite Annahme dieser Argumentation ist, dass die europäische Gemeinschaft und allen voran Deutschland über genügend Wirtschaftskraft verfügt, hoch verschuldete Staaten im Notfall zu stützen. Denn nur wenn diese Versicherung glaubhaft ist, werden die Akteure an den Finanzmärkten keinen Risikoaufschlag verlangen. Aber ist das wirklich realistisch? Spaniens Bruttosozialprodukt z.B. ist fünfmal so groß wie das der Griechen. Die Staatsschulden Spaniens betragen etwa 30 Prozent der deutschen Staatsschulden. Ein Bail-Out ist bei solchen Größenordnungen nicht wirklich vorstellbar. Das gilt erst recht, wenn man den Kreis der potentiell zu Rettenden um Portugal, Irland und Italien erweitert. Vor diesem Hintergrund macht es daher keinen Sinn Griechenland mit Staatshilfen zu stützen. Wenn nicht alle Staaten mit Finanzhilfen gerettet werden könnten, wird die Bonität einzelner Länder unabhängig von der Lage Griechenlands bewertet werden. Nur das Bekenntnis zu soliden Staatsfinanzen und der unbedingte Wille zur Haushaltskonsolidierung kann potentiell angeschlagenen Staaten in der jetzigen Situation helfen. Daher greift auch dieses Argumentationsmuster nicht für eine Begründung der angedachten Finanzhilfen für Griechenland.

Es ist hoffentlich klar geworden, dass die Staatshilfen für Griechenland – entgegen der Darstellung der Bundesregierung – nicht alternativlos sind. Ganz im Gegenteil bestehen unter führenden Finanzwissenschaftlern erhebliche Zweifel, ob Griechenland seine Zusagen gegenüber dem Internationalen Währungsfond und den europäischen Staaten tatsächlich einhalten wird. Das Sparprogramm, das Griechenland für tragfähige Staatsfinanzen benötigt, ist gnadenlos. Ob die griechische Bevölkerung dies auf Dauer mittragen wird, ist keinesfalls gesichert. Durch die Finanzhilfen der EU und des IWF wird der Konsolidierungsdruck zudem erheblich gemindert. Eine geordnete Umschuldung wäre deshalb sowohl für Griechenland als auch für Deutschland der bessere Weg aus der momentanen Krise.

Ich habe aufgrund der hier angeführten Bedenken am Montag in der FDP-Bundestagsfraktion – wie der Kollege Frank Schäffler – gegen die Finanzhilfen für Griechenland gestimmt. Sechs weitere Kollegen haben sich der Stimme enthalten. Mit großer Mehrheit hat sich die Fraktion jedoch für den Gesetzesentwurf der Regierungskoalitionen ausgesprochen.

Bei der entscheidenden, namentlichen Abstimmung im Deutschen Bundestag am Freitag werde ich mich der klaren Mehrheitsentscheidung meiner Fraktion anschließen. In einer wichtigen politischen Entscheidung bin ich in der Sache anderer Meinung als meine Fraktion. Als zuverlässiger Partner in einer Regierungsfraktion muss die FDP sich auf die Stimmen alle Fraktionsmitglieder verlassen können. Ausnahmen von dieser Regel sind lediglich diejenigen Abstimmungen, die in besonderer Art und Weise eine Gewissensfrage für den Abgeordneten darstellen, wie z.B. Auslandsmandate der Bundeswehr.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Lutz Knopek

4 Kommentare zu “Knopek zu Staatshilfen für Griechenland”

  1. Jörg Behlen sagt:

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  2. Camilla Huber sagt:

    Sehr geehrter Herr Dr. Knopek,

    ich bin sehr enttäuscht von Ihrem Umschwung in Ihrem Abstimmungsverhalten. Sie zeigen mit Ihrem “Umfallen”, dass die meisten MdBs, die über Listenplätze an ihr Mandat gelangt sind, sich dem Diktat der Fraktion unterwerfen.

    Bei Ihnen finde ich es besonders schade, da Sie mit Ihrem Statement klar gemacht haben, dass Sie eine dezidierte Meinung zu dem Griechenland Thema haben. Sie würden treuen Wählern und Freunden der Marktwirtschaft einen großen Dienst erweisen, wenn Sie stärker auf Ihren (überdurchschnittlichen) Verstand, als auf Ihre Fraktion hören würden. Ihr Kollege Frank Schäffler hat dies auch getan.

    Ich hoffe, dass Sie bei den nächsten Entscheidungen Mut zur eigenen Meinung zeigen.

  3. Jörg Behlen sagt:

    Sehr geehrter Herr Bundestagsabgeordneter Dr. Knopek,

    herlichen Dank, dass Sie sich als einer von drei FDP-Abgeordneten heute gegen das 750 Milliarden Programm ausgesprochen haben. Sofern Sie Ihre Ablehnung auch am vergangenen Freitag im Bundestag vertreten hätten, wäre Ihre Position klar und nachvollziehbar gewesen.
    Mit vielen Mitgliedern unserer FDP, hoffe ich, dass Sie Ihre ablehnende Haltung bei der anstehenden Abstimmung im Bundestag mit NEIN untermauern werden.

    Mit den besten Wünschen

    Jörg Behlen
    Kreisvorsitzender FDP Marburg-Biedenkopf

  4. lknopek sagt:

    Lieber Herr Behlen,

    vielen Dank fuer diese moralische Unterstuetzung. Das kann ich gut brauchen. Der Druck wird sicherlich dieses Mal noch groesser werden.

    Herzliche Gruesse
    Lutz Knopek

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